Zuerst wollte ich anstelle von „Anbieter“ „Industrie“ schreiben, aber das wäre unzutreffend gewesen. Ich richte mich mit diesem Gedankengang nämlich auch an kleine Unternehmen und auch Medienschaffende an sich. Aber worum geht es mir eigentlich?
Fangen wir ganz vorne an. Ich war mal ein bekennender TV-Junkie und habe zig Stunden wöchentlich geglotzt – als Entspannung, aber auch „hauptamtlich“. Mehr und mehr wurde der Fernseher aber zu einem Hintergrundrauschen, bei dem ich gelernt und auch gearbeitet habe. 2020 hat sich die Situation dann radikal verändert. Mein wöchentlicher TV-Konsum (aktiv und passiv zusammengerechnet) liegt bei unter einer Stunde. Ja, ich schaue kaum noch sechzig Minuten Fernsehen. Also kann man sagen, das Medium hat mich als Konsumenten verloren!
Die preiswerteste Variante wäre jetzt die Behauptung: Ja klar, Du streamst halt vie Amazon Prime, Netflix oder was auch immer. Ganz ehrlich? Manchmal mache ich das. Aber willst Du wissen, wie oft ich das in diesem Jahr getan habe (Stand: 8. März 2020)? Überhaupt nicht! Es ist also nicht nur das Fernsehgerät, was mich als Kunden verloren hat, sondern das Medium an sich. Für das Kino gilt übrigens das Gleiche: I`don`t give a fuck. Sorry, mich interessiert der Einheitsbrei aus Sequel-Prequel-Disney-Star Wars-Geplätschere absolut nicht mehr. Mag sein, dass ich da echt was verpasse. Im Zweifel ist es mir aber egal.
Ja, mein Leben hat sich in den letzten 5 Jahren radikal verändert: Selbstständigkeit, Familienvater, Autor. Das verändert viel, aber alles so radikal?
Ich spreche täglich mit vielen Menschen und da höre ich oft Ähnliches. Klar, da sind die Binge-Watcher, die sich an einem Abend die letzte Staffel von Game of Thrones durchballern. Aber genauso sind da Leute, denen es ähnlich wie mir geht. Diese Menschen meiden den Serien-Overkill und auch das Kino.
Mein Leben hat sich verändert, das habe ich oben bestätigt. Aber ich behaupte, dass sich auch das Medien-Angebot im gleichen Maße verändert hat. Ich sehe das Thema „Zielgruppenausrichtung“ als ausschlaggebende Ursache. Lange Zeit galt die Gruppe der 14 – 49-Jähringen als „werberelevant“. Sprich: Kids unter vierzehn Jahren sind genauso uninteressant wie Grufties ab fünfzig.
Ich selbst bin einundvierzig Jahre alt, also eigentlich noch Teil dieser umkämpften Gruppe. Sehe ich mir das Design der Produkte (Buch, Film, Fernsehen, Musik, Computerspiele…) an, so sehe ich da aber definitiv eine Inkongruenz. Gefühlt hat sich die Werberelevanz verjüngt. Die Produkte richten sich meinem Empfinden nach eher an 9 – 30-Jährige. Wer weiß, vielleicht setzt diese Gruppe ja am meisten um?
Ich fühle mich da ziemlich draußen vor der Tür. Teilweise nimmt das groteske Züge an. So habe ich für meine letzten beiden käuflich erworbenen Produkte keinerlei Werbung wahrgenommen, sondern habe über Facebook-Freunde davon erfahren. Das ist auf der einen Seite ein beeindruckendes Statement für die Effizienz von Social Media, aber eine Bankrotterklärung an das klassische Marketing!
Aber zurück zum Fernsehen. Ich muss irgendwie an Luke Mockridge denken, der in der Bastion des Senioren-TVs (ZDF-Fernsehgarten) auftrat und dort freimütig verkündete, dass es dort nach alten Menschen stinkt. Dies ist eine schöne Metapher, die ich gerne mit anderem Vorzeichen aufgreife. Im regulären Fernsehen zur Hauptsendezeit riecht es nach Babykacke. Egal ob das die Sendungen eines Jan Böhmermann, Joko&Klaas oder irgendein beliebiges Reality Show-Format ist: Alles wird von dem Duft nach Babypuder und Kindercola begleitet. Wirklich Erwachsene finden nicht statt. Und wenn dann auch noch die liebe gehypte Greta Thunberg auftritt und „How Dare you“ schreit, dann fühle ich mich vollends wie im falschen Film. Bei Netflix und Co. stelle ich das übrigens auch bei vielen Serien fest. Dort wird zwar „erwachsen getan“, aber das ist eben vielleicht das genaue Gegenteil davon. Kleines Beispiel gefällig? Wie wäre es mit Greys Anatomy? Das ist doch nichts anderes, als eine Seifenoper für kleine und kleingebliebene Mädchen, die sich den Anstrich einer Arztserie gibt!
Im Buchsektor sieht es ähnlich aus. Letztes Jahr wurden die Bestsellerlisten von „Darm mir Charm“ angeführt. Die Autorin, eine attraktive Medizinstudentin, berichtete den Massen davon, wie eigentlich das Kacken (O-Ton) funktioniert. Vielleicht war es gerade die Erscheinung der Berichtenden, die in Kombination mit Fäkalien manch eine abseitige Leserphantasie beflügelt hat. In eine ähnliche Richtung schlägt dann auch der Roman „Wasteland“ von Judith C. Vogt und Christian Vogt, der ein durchaus interessantes Endzeitszenario abliefert, aber unglaublichen Wert auf seine genderneutrale Sprache legt. Man(n) stelle sich Mad Max mit einer solchen Attitüde vor. Ist das Comedy, oder kann das weg?
An anderer Stelle wurde diese Tage darüber diskutiert, das Protagonisten bloß nicht älter als ihre Leser sein könnten/sollten/dürften. Als Autor finde ich diesen Ansatz lächerlich bis absurd. Wobei natürlich klar ist, dass Bücher für Kinder am besten natürlich auch mit kindlichen Protagonisten funktionieren. Dies kann aber keinesfalls das Gewicht eines Gesetzes bekommen, denn was ist mit Jim Knopf dem Lokomotivführer, Long John Silver, Professor Habakug, oder Ebeneezer Scrooge?
Nein, hier werden momentan unverzeihliche Fehler gemacht. Schon jetzt gibt es eine große Zielgruppe, die ausschließlich Medien aus ihrer lange zurückliegenden Kindheit konsumieren. Es mag sein, dass diese Leute schwerer zu erreichen sind, als „Kiddies“. Es noch nicht einmal zu versuchen, grenzt für mich aber an Idiotie. Zumal es nämlich auch sein könnte, dass gerade die Gruppe der 40 – 69 Jährigen die Leute mit den tiefschwarzen Bankkonten sind.
Eigentlich gibt die Demographie vor, wohin die Marketingstrategien zielen sollten. Das kann jeder ignorieren, wie er möchte. Aber bitte, bitte, bitte: Jammert dann nicht in zehn Jahren, dass es kaum noch deutsche Verlage, Eigenproduktion im TV und auch überhaupt noch Sender gibt und der Markt immer kleiner und kleiner wird. Weshalb? Es gab da mal so ein Schlagwort namens „Angebotpolitik“…einfach mal googeln…
Abschließend möchte ich das Ganze einfach mal verdichten: Wollt ihr maximalst jugendliche Produkte erschaffen, oder wollt ihr dauerhaft Geld verdienen?